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Könnt ihr nicht einfach mal ruhig spielen? - kann man Spielverhalten vom sommerlichen draußen Toben zum winterlichen drinnen Bauen lenken

Meine beiden kleinen Räuber sind sehr oft sehr laut und wild – sie springen und klettern, sie kämpfen und schreien, sie sind sehr emotional und wenig angepasst. Und ich? Ich finde es wunderbar und anstrengend gleichermaßen. Gerne dürfen sie ihren Bewegungsdrang ausleben und meistens finde ich es wunderbar, dass sie wirklich bei sich sind anstatt sich einzuschränken um fremden Erwartungen zu entsprechen.

 

Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: Der wunderbare Sommer mit unzähligen Stunden draußen toben ist vorbei und wenn es hier wieder grau und nasskalt ist, dann lockt es meine aktiven Räuberkinder (und mich) nicht mehr stundenlang nach draußen. Und so wünsche ich mir für die Herbst- und Winterzeit einfach mal ruhig und konzentriert vor sich hin spielende Kinder, statt wild kämpfender und schreiender Räuberkinder. Kann ich denn ihr Spielverhalten überhaupt respektvoll beeinflussen? Und wenn ja, wie?

 

 

Zuerst einmal: Ich will meine Kinder nicht mit Lob und Strafe dressieren, damit sie meinem Wunschbild von ruhig spielenden, für mich bequemen Kindern entsprechen. Ich will ihnen auch nicht vermitteln, dass es darum geht meinen Erwartungen zu entsprechen - wir Eltern können ja auch sehr subtil mit Worten, Betonungen und selektiver Aufmerksamkeit steuern. Ich will ihnen einfach helfen die Ruhe und Konzentration, die sie beispielsweise beim Schnitzen im Garten, beim Gärtnern oder beim konzentrierten Klettern im Baum gefunden haben auch beim Spielen im Haus zu finden. Toben und aktiv sein bleibt selbstverständlich Teil unseres Tages, nur bitte nicht stundenlang nonstop im Haus.

 

Spielverhalten lenken?

Aktuell sind wir mitten in einer Gesellschaftsspiel-Phase und das bringt uns viele Stunden gemeinsamen konzentrierten Spielens. Danach sind die Räuberkinder entweder ganz entspannt und spielen einfach konzentriert weiter, oder aber der Bewegungsdrang wird immer größer und dann versuche ich diese Energie nach draußen oder aber in unser „Jungszimmer“ (ihr Kinderzimmer, wo sie gerne anstelle des Wohnzimmers toben dürfen) zu lenken.

 

Neben den Gesellschaftsspielen gibt es noch eine Reihe von anderen ruhigeren Aktivitäten, auf welche meine Räuberkinder sich gerne einlassen:

  • Basteln und Malen

  • etwas erforschen

  • Bauen

  • in aufgebauten Welten spielen

  • Bücher

  • Puzzle

Wenn ich mir nun ruhigere Spielphasen wünsche, dann schaffe ich genau für diese Aktivitäten attraktive Möglichkeiten: einladend gestaltete Spielbereiche, Einladungen (in der Reggio-Pädagogik auch „Provokation“ genannt) und Raum in unserem Tagesrhythmus. Außerdem sorge ich für eine ruhige und entspannte Atmosphäre sowie reduziere Ablenkungen wie Chaos rundherum. Ich erziehe nicht an den Kindern herum, aber ich gestalte unsere Umgebung bewusst so, dass ruhigere und konzentrierte Aktivitäten gefördert werden. Gerade dieses bewusste Gestalten unserer Umgebung ist nach dem Draußen-Sommer auch dringend nötig, denn wir haben unsere Drinnen-Spielbereiche vernachlässigt.

 

Und so werde ich in den nächsten Wochen unseren kreativen Studio-Bereich sortieren und die Bauecke wieder aufleben lassen. Grundlagen dazu findest du in den verlinkten Artikeln, ein Update in den nächsten Wochen. Außerdem habe ich ein paar Montessori-Materialien für die Altersklasse einer Räuber besorgt, auch diese möchte ich dir gerne bald vorstellen. Für heute halte ich einfach fest, dass ich meinen erstaunlich großen Einfluss wieder bewusster nutzen möchte.

 

Weitere Inspiration für´s Spielen

Ich bin aktuell sehr vom Waldorf-orientierten Familienrhythmus begeistert und dort habe ich irgendwo die Empfehlung gelesen, dass ein ganzheitlicher Lebensstil Herz, Kopf und Hand ansprechen sollte. Einige Familien setzen dies so um, dass vormittags Zeit für „Kopf“-Aktivitäten ist, mittags „Herz“ und nachmittags „Hand“ - beispielsweise vormittags erkunden oder auch Kindergarten/Schule, mittags gemeinsam auf dem Sofa Vorlesen und nachmittags etwas basteln/bauen/Handarbeiten. Dieses Konzept finde ich sehr spannend, auch wenn ich bzw. meine kindergartenfreien Räuber immer noch zwischen flexibel sein und Rhythmus schwanken. Trotzdem ist es mir eine große Hilfe, diese drei Richtungen für die Gestaltung ausgewogener und damit hoffentlich zufriedener Tage im Blick zu behalten. Gerade mein 5-jähriger Räuber verlangt gerade regelrecht nach Futter für den Kopf, welches ich ihm in Form von spannenden Büchern, inspirierenden Ausflügen und gemeinsamen Erkundungen und Beobachtungen nur zu gerne präsentiere. Ich muss mir nur täglich Zeit dafür nehmen.

 

Ebenfalls von Waldorf kommt die Idee, dass es für die Kinder unheimlich Spiel-anregend ist, wenn die Betreuungsperson einer überschaubaren, konkreten Aktivität nachgeht: Haushalt, Kochen, Handarbeiten werden dort häufig als Beispiele genannt. Bei uns ist es ebenfalls so, dass meine Räuberkinder oft besonders gut spielen, wenn ich daneben konzentriert an etwas überschaubarem arbeite – also nicht am spannenden Computer sitze. Das ist für mich nicht immer ganz praktisch (ich will doch hier schreiben), aber gerade für die Anfangszeit neuer, ruhigerer Spielgewohnheiten kann ich mich gerne darauf einlassen.

 

Neben Waldorf bin ich gerade schwer inspiriert von den Prinzipien der Montessori-Pädagogik. Ich mag daran die Unterstützung für Kinder sich den kleinen und großen Themen ihrer Umwelt zu widmen und sie mit entsprechenden Materialien in kleinen Schritten erfahrbar und verstehbar zu machen. Auch die respektvolle Förderung der Selbstständigkeit finde ich einfach großartig. Ich bin gerade dabei mich noch weiter einzulesen und verschiedenste praktische Aspekte sowie einige der speziellen Materialien mit meinen Kindern auszutesten – ich werde darüber berichten.

 

 

Außerdem schlägt mein Herz weiterhin für Selbstbestimmung und Freilernen – d.h. ich werde meinen Räuberkindern auch weiterhin die Freiheit zum Toben lassen und eben auch wilde Zuhause-Tage aushalten, bzw. dann eben gemeinsam mit ihnen nach draußen gehen. Allerdings lasse ich eben auch soweit möglich alles stehen und liegen um sie bei Fragen und Projekten zu unterstützen. Da haben wir zuhause ganz andere Möglichkeiten als draußen und so freue ich mich nun auf eine Zeit, in der wir die vielen Naturbeobachtungen und Fragen der Kinder nach und nach in Büchern nachlesen und dann in Zeichnungen, Geschichten oder Bastelprojekten wiederfinden werden.

 

Ein letzter Punkt ist Bewegung: ich weiß um den Bewegungsdrang meiner Kinder und ich will ihn nicht einschränken oder abgewöhnen. Also muss es dafür weiterhin jeden Tag genug Raum geben: das „Jungszimmer“ ist mit Rutschebett und Kletter-Empore sowie den Rollenspiel-Kostümen auf Bewegung ausgelegt und wir versuchen auch trotz norddeutschen Winterwetter rauszugehen – aktuell macht es uns der goldene Herbst sowieso leicht. Außerdem machen wir spontane Tanzparties, Kissenschlachten und Körper-betonte Spiele. Und wenn dringend ganz viel Energie weggetobt werden muss, dann fahren wir bei anhaltendem Mistwetter schon mal in einen Indoor-Spielplatz. Oder gehen in Regensachen auf unser eigenes Trampolin, welches genau deswegen den Winter über stehenbleiben darf und uns schon manche Wintertage gerettet hat.

 

 

Letztendlich bin ich mir sicher, dass wir nach und nach wieder ruhigere und konzentriertere Beschäftigungen finden und genießen werden. Sowohl die sommerliche als auch die winterliche Phase tun meinen Kindern und mir gut, nur der Übergang von viel draußen zu eher drinnen-orientiert ist meist etwas holprig. Doch dieses Jahr gestalte ich aktiv mit und erleichtere meinen wilden Räubern so den Übergang. Ich bin gespannt und freue mich auf die nächsten Wochen!

 

Damit verabschieden wir uns von den wunderbaren Herbstferien und begrüßen wieder den Alltag im Hause OstSeeRäuberBande. Ferien genießen finde ich leicht, doch wir arbeiten weiter an einem entspannten und lebenswerten Familienalltag. Kommst du mit?

 

Dann sind vielleicht die folgenden Artikel die passende Inspiration:

Einstieg Spielserie

Spielbereiche gestalten

Studio-Bereich (mit kostenlosem Leitfaden für den Studio-Bereich)

Bauecke

5 Tipps für selbstständiges Spielen

Familienrhythmus (mit kostenlosem Miniworkshop Familienrhythmus)

Selbstfürsorge für Eltern

 

Auf in ein fröhliches Familienleben!

"Könnt ihr nicht einfach mal ruhig spielen?" - kann man Spielverhalten lenken?
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Kennst du auch Phasen, in denen deine Kinder eher wilder Toben und Phasen in denen sie eher fokussierter Spielen? Unterstützt du sie darin, beide Varianten ausleben zu können?

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Kommentare: 2
  • #1

    Llewella (Dienstag, 23 Oktober 2018 21:48)

    Hier haben wir ja nun zwei Schulkinder, die glücklicherweise bislang mit allen ihnen gestellten Anforderungen der Schulwelt klarkommen. Junior ist eh wissensdurstig, dass es kracht und verzieht sich gern stundenlang mit Kinderromanen oder Was-ist-Was auf die Couch. Wenn wir in der Bibliothek sind, sucht er seine Bücher aus und ich gucke nach den Was-ist-Was und versuche, Themen mitzunehmen, die uns die letzte Zeit beschäftigt hatten. Zum Beispiel waren wir auf einer Wanderung durchs Lonetal mit den Höhlen und ihren Steinzeitfunden. Und dann musste das passende Buch her.

    Gerne häkelt er zur Zeit auch, ebenso wie seine Schwester. Sie kämpft noch mit den Luftmaschen, er probiert schon alle möglichen Muster aus meinem Häkelbuch aus. Da ist also dann immer recht friedliches Leben angesagt. Gesellschaftsspiele stehen hier auch hoch im Kurs, wohl den Kindern, die noch nicht an Handys und PCs verloren sind und sich noch mit Gesellschaftsspielen beschäftigen wollen/können.

    Tja, und wenn's drin gar nicht mehr geht, geht es raus. Es gibt ja zum Glück passende Kleidung auch für Schmuddelwetter und Muttern muss eh in den Stall und das Viechzeug versorgen, also gehen die Kinder mit. Dann helfen sie manchmal oder sitzen im Sandkasten, ob der nun nass ist oder nicht. Eine Stunde Draußenzeit bekommen wir auch bei Schmuddelwetter und Kälte immer hin.

    Das mit den Spielangeboten habe ich immer noch nicht ausprobiert, obwohl ich es schon so oft vorhatte. Die Ideen dazu finde ich großartig und meine Zwei würden sie bestimmt gut annehmen.

    Schön, Dich wieder zu lesen nach der langen Pause.

    Gruß,
    Llewella

  • #2

    Maria (OstSeeRäuberBande) (Donnerstag, 25 Oktober 2018 12:52)

    Hallo zurück und danke für deinen Kommentar,

    auf diese Bücher-Lese-Lust bei meinen Kindern warte ich immer noch und stelle sie mir sehr entspannend für mich vor :-) Aber sie beginnen auch gerade wieder intensiver Bücher selbst anzuschauen - wir sind auch fleißige Bibliotheks-Besucher. Und abends lesen wir gerne viel gemeinsam.

    Handarbeiten wollen wir diesen Winter auch weiter probieren. Allerdings tu ich mich etwas schwer meine vielen tollen Materialien komplett frei zu geben. Aber das muss ja eigentlich garnicht sein - habe gerade die Idee einen Handarbeitskorb als Einladung zu gestalten...

    Ja, ich hab wirklich lange Pause gemacht um an anderen Projekten zu arbeiten und die Zeit mit meinen Lieben zu genießen. Bin jetzt aber schwer motiviert es nicht wieder soweit kommen. Wenn wir mehr drinnen sind, komme ich hoffentlich auch mehr an den PC :-)

    Liebe Grüße,
    Maria