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Selbstwirksamkeit – was ein verstopftes Waschbecken mit den Bedürfnissen von Kindern und Eltern zutun hat

Vor ein paar Tagen war unser Waschbecken verstopft. Das Wasser floss nur noch Tröpfchenweise ab und Hausmittelchen wie Natron und Essig zeigten keinerlei Wirkung. Die Räuber und ich haben alle von außen zugänglichen Teile des Rohrs abgebaut und gereinigt, doch leider saß das Problem in der Wand. Ich hätte den Hausbesitzer anrufen können, damit dieser einen Handwerker beauftragt. Habe ich meinen Kindern zuliebe jedoch nicht und dabei vermutlich selbst mehr gelernt als sie:

Selbstwirksamkeit - Was ein verstopftes Waschbecken mit  Bedürfnissen von Eltern und Kindern zutun hat?

Ich habe in letzter Zeit beobachtet, dass eines meiner Kinder bei Misserfolgen sofort aufgibt und im Zweifel eine Herausforderung vermeidet. Auch wenn ich dieses Verhalten nachvollziehbar finde, empfinde ich es nicht als ideal: Es entspricht einfach nicht dem bisherigen Verhalten dieses Kindes und es dient ihm nicht, seine Ziele immer wieder zu opfern. Ich will nicht negativ bewerten oder umerziehen. Aber ich sehe ein Verhalten und überlege mir, ein paar Erlebnisse und Gesprächssituationen zum Reflektieren herbeizuführen. Was dann daraus entsteht, ist Sache des Kindes.

 

Doch wie weckt man bei einem Kind die Hartnäckigkeit? Ich habe mir überlegt, dass ich mir selbst weniger Sachen abnehmen lassen will und auch bewusst Situationen aushalten möchte, die zuerst wie ein Misserfolg aussehen oder anderweitig schwierig sind. Ich glaube an die große Wirkung von authentischen Vorbildern und so geht es einfach darum, den Kindern ein Miterleben zu ermöglichen.

 

Was man mit einem verstopften Rohr so erleben kann? Zuerst einmal Misserfolg (Hausmittelchen und Auseinandernehmen funktioniert nicht) und Frustration. Doch auch konstruktives Problemlösen: Wie finde ich heraus, was ich noch versuchen kann? Letztendlich hat eine Abflussspirale ohne Anleitung ihren Weg zu uns gefunden und wir haben mit einigen Versuchen und gemeinsamem Einsatz ihre Funktionsweise herausgefunden. Die gesamte Familie hat geholfen und gedreht. Doch mehrere Meter Spirale millimeterweise vorwärts zu bewegen ist langwierig und so hat ein Kind nach dem anderen die Motivation verloren – völlig in Ordnung, schließlich war es mein Projekt.

 

Ich habe stur weitergedreht und herumprobiert - irgendwann haben wir das Rohr auf diese Weise reinigen können. Ein schönes Erfolgserlebnis, welches sich richtig gut angefühlt hat. Weil ich selbst etwas geschafft habe, wovon ich erstens vorher keine Ahnung hatte und was zweitens eben auch mit Herausforderung und Misserfolgen verbunden war. Das hat weit mehr internes Belohnungssystem angefeuert als der Ruf nach einem Handwerker es getan hätte. Und ich habe etwas gelernt, was viel wichtiger ist als bewusste Erfahrungen aus „Erziehungszwecken“ zu schaffen: es geht hier um Selbstwirksamkeit.

 

Selbstwirksamkeit ist gewissermaßen unser aus früheren Erfahrungen und anderen Umständen geprägtes Gefühl dafür, ob wir eine Herausforderung bewältigen werden. Sie hat viel mit Selbstbewusstsein zutun und beflügelt uns bei neuen, herausfordernden Aufgaben. Damit ist sie ein interner Antrieb für Herausforderungen und Lernerfahrungen. Außerdem ist Selbstwirksamkeit ein entscheidender Faktor dafür, wie wir unsere Rolle in der Welt wahrnehmen: klein und unbedeutend oder in der Lage, wichtige Veränderungen anstoßen zu können. Daneben wird Selbstwirksamkeit mit Zufriedenheit im Leben und gewissermaßen Depressionsvorsorge in Verbindung gebracht – sehr viele wichtige aber auch komplexe Themen also, die hier zusammenkommen.

 

Doch für uns Eltern spielen diese komplexen theoretischen Fragestellungen eigentlich keine Rolle. Vielmehr spielt das Konzept Selbstwirksamkeit für uns Eltern eine ganz praktische Rolle, weil wir darauf unbewusst als auch bewusst sehr viel Einfluss haben. Laut A. Bandura, einem Psychologen, welcher das Konzept der Selbstwirksamkeit in den 1970ern beschrieb, gibt es 4 Einflussfaktoren: eigene Erfolgserlebnisse, das Miterleben von Erfolgen mit Vorbildcharakter, Ermutigungen sowie emotionale Erregung (Stressreaktionen). Je kleiner das Kind, desto größer ist unser Einfluss. Ich denke beispielsweise an ein Kleinkind, welches sein Geschwisterkind beim selbstständigen Anziehen beobachtet. Es möchte es selbst versuchen und wir beginnen mit einem einfach anzuziehendem Kleidungsstück. Wir ermutigen das Kind, indem wir ihm das Vorhaben zutrauen und wenn nötig auch gut zureden. Außerdem helfen wir bei der Regulation von Stress und Frustration, wenn es nicht sofort klappt. Am Ende hat es das Kind geschafft sich beispielsweise die Hose selbst anzuziehen – es wird stolz und zufrieden davon ausgehen, dass es diese und ähnliche Herausforderungen auch in Zukunft meistern wird. Seine Selbstwirksamkeit ist aktiv.

 

Neben der fast immer sinnvollen Bedürfnisbefriedigung beim Kind machen wir uns als Eltern das Leben leichter, wenn wir die Selbstwirksamkeit unserer Kinder bestmöglich fördern – wir werden mit zufriedeneren, kooperativeren und aus sich heraus unabhängigeren Kindern belohnt. Und wir wissen, dass sie daran wachsen, wenn ihnen dieses Bedürfnis erfüllt wird. Gleichzeitig ist Selbstwirksamkeit ein schönes Beispiel dafür, wie gut auch uns Eltern ein bedürfnisorientiertes Familienleben tut. Denn Selbstwirksamkeit hört bei unseren Kindern nicht auf. Auch wir Eltern haben dieses Bedürfnis und profitieren sehr davon, wenn unser (Familien-)Leben möglichst viele die Selbstwirksamkeit steigernde Erlebnisse ermöglicht.

 

In diesem Sinne hat mir unser verstopftes Waschbecken und meine Entscheidung den Kindern zuliebe selbst daran zu arbeiten vor Augen geführt, wie gut mir selbst das Annehmen dieser ungewohnten Herausforderung getan hat. Meine Selbstwirksamkeit hat definitiv profitiert :-) Außerdem hoffe ich natürlich, dass meine Kinder mich eben auch bei solchen Dingen zum Vorbild nehmen und sich so ebenfalls das eine oder andere Neue zutrauen. Letztendlich habe ich mich jetzt mit dem spannenden Konzept der Selbstwirksamkeit auseinander gesetzt und bin fest entschlossen, noch stärker auf entsprechende Erfahrungen zu achten: keine erzwungene Unabhängigkeit, weil Gesellschaft oder mein Zeitbudget es fordern, sondern jederzeit geförderte und ermöglichte Unabhängigkeit, weil es einfach so gut tut.

 

Auf in ein fröhliches und selbstbestimmtes Familienleben!

Selbstwirksamkeit für Eltern und Kinder - was ein verstopftes Waschbecken mit Bedürfnissen zutun hat
Pin mich für später :-)

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