Respektieren wir unsere Kinder?

 

Ich möchte dir heute ein Geheimnis verraten. Ein offensichtliches Geheimnis: Kinder sind auch Menschen! Ist das überraschend? Auf den ersten Blick wohl nicht. Doch wenn wir über Menschenwürde nachdenken, dann werden Kinder oft wie Menschen 2. Klasse behandelt. Du glaubst mir nicht? Lass mich erklären:

 

 

Für mich bedeutet Menschenwürde, dass jeder Mensch einen Wert hat und jeder Mensch Respekt verdient hat. Ganz gleich, ob ich ihn mag oder nicht, ob ich seine Entscheidungen nachvollziehen kann oder nicht. Die einzige Grenze ist, dass die Freiheit jedes einzelnen Menschen natürlich da aufhört, wo die eines anderen Menschen anfängt. Daraus ergeben sich die Menschenrechte (gerne nachlesen auf Wikipedia).

 

Wenn ich nun aber an Kinder denke, so gestehen wir ihnen diese Freiheit eigene Entscheidungen zu treffen und im schützenden Rahmen der Kindheit auch Fehler zu machen oft nicht zu:

  • Wer bestimmt, wann das Kind sich müde fühlt und ins Bett geht?
  • Wer bestimmt, wann das Kind was genau isst und wie es sich dabei zu verhalten hat (Tischmanieren)?
  • Wer bestimmt, wann das Kind friert oder schwitzt und sich anders anzieht?
  • Wer bestimmt, wann das Kind auf Toilette geht (Töpfchentraining, in der Schule fragen müssen, Eltern die ihre Kinder auf´s Klo schicken)?
  • Wer bestimmt, wofür sich das Kind interessiert (Nachmittagsaktivitäten, Schulfächer)?
  • Wer bestimmt, was das Kind denkt (richtig oder falsch bzw. Schulnoten in allen Themen, die nicht wie 1 + 1= 2 (liebe Mathematiker, ich weiß, dass man daran herumdefinieren kann) offensichtlich sind?

 

Können wir da tatsächlich von gleichwertigen Kindern (inklusive einem Recht Fehler zu machen) reden? Von Grundrechten wie Meinungsfreiheit, gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung? Ich denke nicht. Aber was genau gibt uns eigentlich das Recht, elementare Dinge für einen anderen Menschen zu bestimmen? Respektieren wir den jungen Menschen, indem wir seine Selbstbestimmungsrechte beschneiden um ihn besser auf eine selbstbestimmte, jedoch nach unseren Ideen geformte Zukunft vorzubereiten?

 

Was denkst du?

 

Abschließend möchte ich betonen: Ich glaube nicht, dass wir Eltern (oder Erzieher, Lehrer, …) das Recht haben unsere Kinder nach unserer Vorstellung zu formen (= Erziehen). Das bedeutet jedoch nicht, dass ich den permissiven (Laissez-faire) Erziehungsstil (eine Erklärung der Erziehungsstile findest du hier bei Wikipedia) unterstütze. Statt eines konsequenten Nicht-Eingreifens eines inaktiven Elternteils sehe ich es als meine Verantwortung, die Kinder auf ihrem Weg aktiv zu unterstützen. Ich glaube, dass Vernunft, Empathie und vieles andere genauso in uns Menschen angelegt sind wie individuelle Stärken und Schwächen. Es braucht nur ein entsprechend unterstützendes Umfeld, dass die in gewissem Sinne wünschenswerten Eigenschaften tatsächlich aufblühen können. Und es braucht eine gewisse Zeit – dafür ist meiner Meinung nach die Kindheit da. Damit stehen wir, wie viele andere, gewissermaßen außerhalb der klassischen Erziehungsstile. Deshalb nennen einige diesen Umgang mit Kindern „unerzogen“, andere sprechen von „Attachment Parenting“, von „Erziehung statt Beziehung“, von „geborgen wachsen“ oder eben von „respektvoll“ und/oder „bedürfnisorientiert“. Genauso wie es keine einheitliche Bezeichnung gibt, so gibt es keine Definition. Es ist für viele Neuland und wir lernen gerade erst es zu navigieren. Wie genau wir versuchen respektvoll und gleichwertig miteinander umzugehen, möchte ich in den nächsten Tagen mit dir teilen.


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Kommentare: 3
  • #1

    juliaa (Montag, 10 Juli 2017 11:04)

    hallo, kurz vor den ferien gab es bei meiner tochter im kindergarten (ich bin ein großer fan von unserem kindergarten) ein projekt über und ich liebe einfach wie wertschätzend, respektvoll, achtsam unsere pädagoginnen und auch die externe die für dieses projekt eingeladen war mit den kindern umgehen!
    es wir wirklich JEDES kind mit seinen bedürfnissen und eigenheiten angenommen und ich bewunder immer wieder, wie sie es schaffen bei sovielen kindern zu bemerken, wenn es wem schlecht geht oder wer extra zuwendung braucht usw (zb fliegen wir im urlaub nach finnland zu meinem bruder, was meiner tochter unglaublich wichtig ist und eines tages ist sie mit einem selbstgemachten finnlandplakat heimgekommen!!!! da wurde extra ein buch aus der bücherei geholt- die ist im kindergartengebäude und die kindergärtnerinnen dürfen da immer rein mit den kindern :))) - und haben ausgesucht, kopiert, gebastelt geklebt!!! )
    na jedenfalls fand ich toll wie sie sich mit den menschenrechten auseinandergesetzt haben und wie hier auch im kindergarten (also auch für kinder deren eltern das alles nicht so wichtig ist) so ein tolles bewusstsein geschaffen wird dafür wie unterschiedlich menschen sind und was man braucht damit es einem gut geht usw

    leider ist es in der schule ein bisschen anders- da hab ich oft das gefühl, dass alle am besten möglichst gleich funktionieren sollten -es ist halt leider auch so, dass die lehrer vor allem wissen vermitteln sollen, aber es ist halt furchtbar schade, dass es anscheinend so schwierig ist schule so zu gestalten, dass jedes kind sich entfalten kann und dass man kindern hilft über das mehr zu erfahren, was sie gerade spannend finden bzw ihnen hilft begabungen zu entdecken...
    ich finde es so wichtig dass es viele verschieden wege gibt die man gehen kann und dass zb handwerkliches geschick genauso angesehen ist wie technische, sprachliche... begabungen. es ist doch traurig, dass immer weniger ein handwerk wirklich gut lernen obwohl das doch so schöne und auch sooooo wichtige berufe sind!

    jetzt bin ich wohl ein bisschen abgeschweift :D...

    ich freu mich sehr über deine artikel!!!
    lieben gruß juliaa

  • #2

    juliaa (Montag, 10 Juli 2017 11:05)

    ups... ein projekt über menschenrechte... sollte am anfang stehen ;)

  • #3

    Maria (Montag, 10 Juli 2017 22:48)

    Liebe Juliaa,
    danke für deinen ausführlichen Kommentar. Freut mich sehr!
    Das ist ja wirklich klasse, was euer Kindergarten da so leistet. Ich hoffe, dass es eher die Regel als die Ausnahme ist, doch kenne ich mich in der Kindergartenwelt nicht so gut aus - wir hatten da leider nicht ganz so großes Glück.
    Und ich sehe es genauso wie du: es ist nicht nur furchtbar schade, sondern ganz einfach furchtbar, dass es in vielen (den meisten?) Schulen anders läuft. Zum einen für jedes einzelne Kind, welches eben nicht abgeholt wird, wo es steht, und sich entfalten darf. Zum anderen aber auch für unsere gesamte Gesellschaft. Was für ein menschlicher Reichtum an Wärme und Respekt da verloren geht und später zwischenmenschlich einfach fehlt. Es ist so traurig!
    Aber ich sehe auch bei mehr und mehr Menschen ein Umdenken. Und wer seinen Kindern zuliebe umdenkt, verändert sich (so meine bisherige Erfahrung) auch selbst. Das macht doch Hoffnung für dieses Thema!
    Liebe Grüße,
    Maria