· 

Plötzlich alle gemeinsam zuhause - 5 Tipps einer Selbstbetreuer-Familie

Alles lief seinen Gang und dann kam der Corona-Virus und legte das öffentliche Leben lahm. Die meisten Kinder sind nun zuhause anstatt in Betreuung oder in der Schule. Viele Eltern sehen sich plötzlich mit weitaus mehr Kinderbetreuung konfrontiert als gewohnt, häufig noch parallel zum Homeoffice, ohne Hilfe der Großeltern und ohne die sonst üblichen Beschäftigungsmöglichkeiten wie Schwimmbäder, Museen und mehr. Nicht einmal mehr möglichst viele befreundete Familien einladen ist jetzt eine mögliche Lösung und es stellt sich die Frage, wie wir aus dieser herausfordernden Zeit nun das Beste für uns alle machen können.

 

Ich habe seit mittlerweile über 7 Jahren tagtäglich mindestens ein Kind ganztags und die restlichen halbtags zuhause und arbeite seit Jahren mehr oder weniger intensiv nebenher. In dieser Zeit konnte ich einige Erfahrungen sammeln, die uns auch jetzt durch solche Zeiten helfen, und die ich sehr gerne mit dir teilen möchte:

 

Gestalte einen Familienrhythmus

In den Tag hinein leben ist ohne jegliche Verpflichtungen sicherlich sehr entspannt, gerade ohne Kinder :-) Doch wenn Kinder Input und Orientierung bekommen sollen, Arbeit im HomeOffice erledigt werden will und irgendwie auch noch der Haushalt wartet, dann brauchen wir dabei Unterstützung in irgendeiner Form. Ein bewusst gestalteter Familienrhythmus kann in dieser Situation zumindest eine hilfreiche Strategie sein:

 

Er hilft sicher zu stellen, dass Kinder sich orientieren können und sich dank dieser Sicherheit besser auf Spielideen, sonstige Interessen und auch Schulstoff einlassen können. Auch kann ein Rhythmus Langeweile vorbeugen und dafür sorgen, dass in einem Wechsel zwischen Elternaufmerksamkeit und selbstständiger Beschäftigung immer genug Elternaufmerksamkeit vorhanden ist, so dass Mama oder Papa auch immer wieder Zeit für Homeoffice und ähnliches haben.

 

Ich habe bereits einen ausführlichen Artikel zum Thema Familienrhythmus geschrieben, auf welchen ich hier verweisen möchte. Für diese besondere Situation möchte ich zusätzlich auf ein paar Punkte hinweisen:

 

Wenn man einen Rhythmus gestaltet ist der erste Schritt eine Bestandsaufnahme: Was müssen wir unterbringen an Bedürfnissen und Verpflichtungen? Was davon sind unsere Prioritäten? Welche Zeiten/ Zeiträume sind vorgegeben? Wann tut uns was besonders gut/ passt was besonders gut in den Ablauf? Daraus kann man einen Entwurf gestalten, welcher nun natürlich anders aussieht als im "normalen" Familienalltag. Da diese Situation jedoch Wochen bis Monate anhalten wird, lohnt es sich definitiv. Und gerade wenn Homeoffice und vielleicht ungewohnte Kinderbetreuungsverhältnisse zusammen kommen, ist hier Zeit an anderer Stelle für Entlastung zu sorgen: Minimalhaushalt, einfache Mahlzeiten nach Wochenplan, Lieferservice, ...

 

Wenn ein Rhythmusentwurf steht, heißt es ausprobieren und dabei Zeit lassen: Fühlt es sich gut an? Ergibt sich an guten Tagen eine Art Flow? Kommen alle damit zurecht und erfüllt der Rhythmus seinen Zweck? Können Punkte zeitweise oder dauerhaft weggelassen werden oder kommen neue hinzu?

 

Sicherlich wirst du deinen Rhythmus nach und nach immer wieder verändern und anpassen. Das ist nicht schlimm, sondern zeigt, dass du bewusst mit deiner und eurer Zeit umgehst und sich verändernde Bedürfnisse und Erfordernisse mit einbeziehst. Alles ist gut, solange es dir und deinen  Kindern hilft!

 

Kenne deine Kraftquellen

Ständig für Kinder verantwortlich zu sein kostet eine Menge Kraft, keine Frage. Also ist es für jeden betreuenden Elternteil wichtig, die eigenen Kräfte einschätzen und auffüllen zu können. Leider ist das keine leichte Aufgabe.

 

Was sicherlich hilft ist die Selbsterkenntnis darüber, ob man selbst eher extrovertiert oder introvertiert ist, d.h. seine Energie eher mit anderen Menschen oder eher für sich selbst auffüllt: wer es selbst herausfinden möchte, dem helfen vermutlich die Informationen auf Wikipedia weiter oder dieser Selbsttest.

 

Können extrovertierte Menschen ihre Energie auch durch das Zusammen sein mit ihren Kindern auffüllen? Ich weiß es nicht, könnte mir aber vorstellen, dass es unter bestimmten Bedingungen gelingt - beispielsweise im gemeinsamen Spiel, wenn es eben keinen Streit gibt sondern alle engagiert und fröhlich mitmachen. Ansonsten leiden gerade extrovertierte Eltern vermutlich sehr unter der aktuellen Isolation und dürfen sich Strategien überlegen, wie sie sich nicht alleine fühlen: Videochat, viel Telefonieren, besonders viel Zeit für Gespräche mit dem Partner und eventuell Nachbarn/ wenigen anderen Sozialkontakten.

 

Für viele introvertierte Menschen dagegen stellt die Isolation an sich vermutlich kein großes Problem dar, stattdessen wird das ständig mit den Kindern zusammen sein zur Herausforderung. Auch hier gilt es sich Strategien zu überlegen, wie man "Inseln" für sich selbst finden kann: Früher aufstehen oder länger aufbleiben als die Kinder, bewusst während die Kinder spielen eine Pause gestalten und genießen, durch Medienzeiten, Kreativprojekte, Badewanne oder besondere Spielzeuge gezielt für ruhige Phasen sorgen, jede Chance auf Zeit für sich selbst und Ruhe nutzen anstatt dann den Haushalt etc. zu machen.

 

Selbstverständlich gelten beide Denkrichtungen für alle Persönlichkeitstypen und jeder einzelne profitiert sowohl von unterstützender Gesellschaft als auch von Zeit für sich. Für mich war es jedoch eine unheimlich hilfreiche Erkenntnis zu wissen, wie ich besonders gut meine Akkus aufladen kann.

 

Weitere Kraftquellen können auch kleine Rituale sein wie beispielsweise das in Ruhe genossene Heißgetränk, 5 Minuten durchatmen an der frischen Luft, ein kurzer Austausch mit einer Freundin, ein Gespräch mit dem Partner oder 10 Min Tanzparty mit den Kindern. Jeder Mensch hat andere Kraftreserven und füllt diese anders auf, doch gerade in solch intensiven Phasen ist es hilfreich zu wissen, wie die eigenen Kräfte aufgefüllt werden können und sich dann auch bewusst immer wider dafür Freiräume zu schaffen.

 

Sorge gut für dich

Gerade wenn der Alltag viel von uns fordert sind die üblichen Empfehlungen für ein gesundes Leben besonders wichtig:

  • gesunde Ernährung
  • viel Wasser trinken
  • tägliche Bewegung
  • genügend Schlaf und Pausen

Wenn diese Dinge für dich nicht selbstverständlich sind (wie für so viele von uns), dann lohnt es sich gerade jetzt darauf zu achten: wir erleichtern damit nicht nur uns selbst diese herausfordernde Zeit sondern können ausgeruht und fitter auch liebevollere Eltern sein. Außerdem nehmen unsere Kinder unsere Gewohnheiten gerade jetzt auch verstärkt als Vorbild war und auch ihre Gesundheit ist davon abhängig was wir kochen, wieviel Wasser wir anbieten etc..

 

Leider ist es in intensiven Familienphasen und vor allem mit sehr kleinen Kindern oder auch der Notwendigkeit abends/ früh morgens zu arbeiten nicht unbedingt einfach, gut für die eigene Gesundheit zu sorgen, zumindest nicht immer für ausreichend Schlaf und Pausen. Die anderen Punkte sind jedoch mit etwas Planung und Strategie auch mit Kindern und im Homeoffice sehr gut machbar. Helfen können beispielsweise Essenspläne (erleichtert das Einkaufen), Gemüsekisten (kommen oft mit passenden Rezepten), voraus kochen (als Inspiration einmal "MealPrep" bei Pinterest suchen oder einfach systematisch immer etwas zusätzliches in der Küche vorbereiten), vorgeschnittenes Obst und Gemüse griffbereit im Kühlschrank, ...

 

Selbstfürsorge ist selbstverständlich mehr als Essen und Trinken, Bewegen und Schlafen. Sie ist ein sehr umfassendes Thema und gerade für Eltern oft auch eine große Herausforderung. Ich habe darüber in meiner kostenlosen Facebook-Gruppe gesprochen (die Videos sind dort gespeichert) und auch bereits eine Artikel über Strategien der Selbstfürsorge für Eltern geschrieben.

 

Sorge für genügend intensive Aufmerksamkeit und gute Spiel-Bedingungen

Nicht nur du brauchst wahrscheinlich eine Weile für die Anpassung an die veränderte Lebenssituation, auch deine Kinder spüren die Unsicherheit dieser Zeit und können nicht plötzlich vom "normalen" Leben in dieses veränderte Leben umschalten. Genauso wie du vermutlich auch, brauchen sie Zeit und Orientierung. Und sie brauchen uns jetzt gerade besonders dringend. Sie brauchen unser "egal ob die Welt gerade Kopf steht, ich bin für dich da!".

 

Nehmen wir uns also gerade jetzt besonders viel Zeit für sie. Führen wir Gespräche und sorgen wir für einen sicheren Hafen. Jetzt brauchen sie "volle Aufmerksamkeitstanks", um gut durch diese Zeit zu kommen. Wenn genügend Sicherheit und das wohlige Gefühl geliebt zu werden da ist, können sie auch gut Spielen/ sich selbst beschäftigen und uns Zeit für anderes lassen.

 

Außerdem haben gerade in solchen zuhause-Zeiten die Spielbedingungen besonderen Einfluss: sie können Spielen erschweren, sie können aber auch die Kinder in´s Spiel einladen und ihnen helfen, länger in ihrer Spielwelt zu verweilen. Wie diese aussehen können, habe ich in mehreren Artikeln beschrieben: beispielsweise zur Bauecke und zum Kreativbereich. (Kreatives Gestalten ist hier ausdrücklich auch eine spielerische Tätigkeit genauso wie Dinge erforschen, Bücher lesen und vieles mehr.)

 

Beispiele für solche Spielbereiche sind eine Bauecke, ein Rollenspielbereich, ein Kreativbereich, eine Forscherwerkstatt und ein Lese-/ Tagträum-/ Einkuschelplatz. Natürlich ist es ein Aufwand solche kleinen Bereiche einzurichten. Es lohnt sich jedoch so sehr, dass du diese ggf. auch provisorisch für diese besondere Zeit herrichten könntest. Eine kleinere Version der Spielbereiche oder auch eine Ergänzung dazu sind die sogenannten "Einladungen" zum Spielen, welche ich hier für den kreativen Bereich und hier für Rollenspiele erklärt habe. In meiner kostenlosen Challenge findest du viele weitere Erklärungen mit umfassenden Beispielen.

 

Ein Tipp: Wenn der gewöhnte Ablauf von kleineren Kindern durcheinander gerät, merkt man dies meist an ihrem schwierigen Verhalten. Um ihnen dabei helfen zur Ruhe zu kommen kann es eine gute Idee sein, aussortierte Spielzeuge wie zu leichte Puzzle und Gesellschaftsspiele nochmals anzubieten: das gewohnte Spielmaterial und das sichere "Beherrschen" der Situation kann innere Sicherheit schaffen.

 

Bleib flexibel und wähle deine Kämpfe

All die schönen Rhythmen, Rituale und Strukturen können das Leben leichter machen. Sie können aber auch einschränken und erdrücken, wenn man sich selbst keine Flexibilität zugesteht.

 

Vielen Kindern tun Routinen gut. Genauso können sie aber auch tagtäglich Lust auf etwas anderes haben. Und auch wir wollen vielleicht nicht immer die gleiche Struktur leben, haben mal andere Pläne oder der Tag bringt etwas, was nicht in unseren Rhythmus passt. Da hilft es, den Rhythmus und die erarbeiteten Strukturen quasi als Grundlage zu haben, welche Sicherheit und einen relativ reibungslosen, für alle wohltuenden Ablauf ermöglicht, wenn wir diesen an nutzen wollen.  Aber dieser Grundlage eben nicht verpflichtend zu verfolgen sondern sie flexibel als Hilfsmittel zu nutzen. 

 

Mir gelingt dies am Besten, wenn ich unseren Rhythmus sichtbar im Haus aufgelistet habe, so dass ich mich daran orientieren kann. Viele Familien mit kleineren Kindern schreiben diesen kindgerecht auf oder nutzen Symbole/ kleine Bildchen, um auch für die Kinder diese Orientierungshilfe im Alltag zu haben. Wir machen das nicht, weil ich das Ganze wirklich sehr flexibel handhabe und nicht jeden Tag darüber diskutieren möchte ob wir uns nun an den Plan halten oder nicht.

 

Mit "Wähle deine Kämpfe" meine ich, dass gerade in einer ungewohnten und intensiven Zeit einfach nicht alles zu schaffen ist: Kinder glücklich, sich selbst gerecht werden, Partner und Freundinnen glücklich, Kontakt zur Familie, Haushalt und eventuell Homeoffice - das ist selbst mit Erfahrung im Kinder zuhause betreuen eine riesige Herausforderung. Wenn du Kinder selbst betreuen nicht gewöhnt bist, dann gönne dir kluge Prioritäten und versuche nicht, dich um alles zeitgleich zu kümmern.

 

 

In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du mit deinen Kindern trotz aller Sorgen und Herausforderungen eine gute intensive Familienzeit gestalten und genießen kannst.

Wenn du einen weitere Tipp mit mit und meinen Lesern teilen möchtest oder aber eine Frage hast, so freue ich mich sehr über deinen Kommentar.

 

Lass uns gemeinsam ein lebenswertes Familienleben für alle gestalten!

 

Deine


Das könnte dir auch gefallen:

Kommentar schreiben

Kommentare: 0