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Gute Kinderbücher auswählen - inspiriert von Maria Montessori und Charlotte Mason

Es gibt Kinderbücher, die nehmen wir einfach kein zweites oder drittes Mal zur Hand, weil der Funke nicht über springt. Und dann gibt es Bücher, die lesen wir stundenlang, wieder und wieder. Bücher, deren Geschichten tolle Gespräche anregen, spannende Fragen aufwerfen und die Räuberkinder beim Spielen inspirieren. Bücher die uns bereichern und bei denen wir Eltern selbst gerne weiterlesen möchten.

 

Doch woran erkennt man die wirklich guten Kinderbücher, wenn man in Bibliothek, Buchladen oder Flohmarkt vor riesengroßer Auswahl steht?

 

Neben dem eigenen Bauchgefühl helfen mir zwei Konzepte: die Ideen aus der Montessori-Pädagogik zur Auswahl von Büchern sowie das Konzept der "Lebendigen Bücher" von Charlotte Mason - beide möchte ich dir im Folgenden kurz vorstellen sowie einige Buchempfehlungen geben:

 

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Warum gute Bücher einen gewissen Aufwand wert sind?

 

In unserem Haushalt gibt es in fast jedem Zimmer Bücher. Wir lesen jeden Abend vor und eines der Räuberkinder blättert auch zwischendurch gerne in einem Buch. Man könnte meinen, dass dieses gemeinsame Vorlesen vor allem ein inniger Beziehungs-stärkender und abendliches zur Ruhe kommen erleichternder Moment ist und die Auswahl der Bücher somit relativ nebensächlich.

 

Doch ich habe an mir selbst schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass manche Bücher mein Denken und Handeln beeinflussen können und mich sehr bereichern. Warum sollten Kinderbücher nicht auch diese Kraft haben?

 

Tatsächlich haben wir lange Zeit wenig durchdacht Kinderbücher ausgewählt und nur gelegentlich beobachtet, dass eines der Bücher zu intensiven Gesprächen und spannenden Fragen führte sowie seinen Weg in die Spiele der Kinder fand. Seitdem ich mich jedoch mit verschiedenen Pädagogik-Richtungen beschäftige, bin ich auch auf Empfehlungen zur Auswahl von Büchern gestoßen. Wie eigentlich zu erwarten hat sich tatsächlich gezeigt, dass der Einfluss der Bücher auf die Kinder deutlich größer ist, als ich ursprünglich vermutet hatte.

 

Wenn es mir gelingt, die richtigen Bücher auszuwählen, dann inspirierend und bereichern sie meine Kinder ungemein. Ich konnte mittlerweile häufig beobachten, wie ein Buch eine intensive Beschäftigung mit einem Thema auslösen konnte oder wie das Thema oder auch eine Buchperson immer wieder ihren Weg in das Spielen der Kinder findet. Somit ist die Auswahl von Büchern für mich zu einem weiteren Handwerkszeug geworden den Alltag meiner Kinder zu bereichern und gleichzeitig auch selbst viel Spaß an unseren Vorlesemomenten zu haben.

 

Torben Kuhlmann: Armstrong*

 

Dieses Buch erzählt mit wunderschönen, sehr atmosphärischen Bildern eine Geschichte von einer Maus, die anders als alle anderen Mäuse nicht daran glaubt, dass der Mond ein großer Käse ist. Und genau das will sie beweisen indem sie einen Weg sucht zum Mond zu fliegen. Die Menschen stehlen ihre Entwürfe und so beginnen auch sie eine Mondrakete zu bauen. Die Geschichte ist nicht nur toll erzählt, sie ist auch absolut inspirierend: die Geschichte der Raumfahrt, die berühmte erste Mondlandung und der Glaube an die eigenen Ideen - wir mögen das Buch unheimlich gerne.

 

 


Gute Bücher auswählen orientiert an Maria Montessori

Ich bin sehr begeistert von der Pädagogik Maria Montessoris und sehe an unzähligen Beispielen im Alltag mit meinen Kindern, wie sehr ihre auf der Beobachtung von unzähligen Kindern aufbauende Erkenntnisse auch viele Jahre später noch die Bedürfnisse der verschiedenen Altersstufen beschreiben und erklären können.

 

Um ihre Gedanken auf die Auswahl von Büchern anwenden zu können, muss man wissen, dass sie die Kindheit in 4 verschiedene Entwicklungsstufen unterteilt hat. Da meine Kinder sich erst in der 1. und 2. Entwicklungsstufe befinden, kann ich auch nur für die Altersklassen bis etwa 12 Jahre Empfehlungen weitergeben:

 

Bücher-relevant für die erste Entwicklungsstufe (0 bis 6 Jahre) beschreibt Maria Montessori vor allem eine Verankerung in der Realität: sie empfiehlt keine fantastischen Welten sondern ein tiefes "Verankern" der Kinder in ihrer Realität. Das bedeutet Bücher über Tiere, echte Menschen und anderes Reales anstatt Feen, Einhörner und Co. Einige Familien und Schulen, die sich streng nach ihrer Pädagogik richten, beziehen dies sogar auf sprechende Tiere und weitere "Feinheiten", selbst wenn die Bücher in der Realität spielen. Für die ganz Kleinen geht diese Realitäts-Forderung so weit, dass Fotos Zeichnungen in der Regel vorzuziehen sind.

 

In der zweiten Entwicklungsstufe traut Maria Montessori den Kindern ein sicheres Unterscheiden von Realität und Fantasie zu, weshalb ab 6 auch fantastische Bücher und Geschichten eine Rolle spielen können. Nun beschreibt sie, was Kinder in diesem Alter suchen: sie suchen Helden und Rollenvorbilder, an welchen sie sich orientieren können, weil sie gerade beginnen über soziale Dynamiken nachzudenken und ihre realen Vorbilder zu hinterfragen. Sie interessieren sich für alles "Extreme": das höchste, schnellste, weiteste und so weiter, weil es ihr Bedürfnis nach "maximaler Anstrengung" gewissermaßen in ein neues Level bringt. Und sie interessieren sich für "große" Fragen nach dem Ursprung der Menschen, dem Universum, der Entstehung unserer aktuellen Gesellschaft und vielem mehr, weil sie gedanklich herausgefordert werden und gleichzeitig sich selbst einen Reim auf alles machen wollen.

 

Diese Aussagen habe ich nicht direkt aus den Schriften Maria Montessoris, sondern aus Büchern, Blogs und Online-Kursen zu ihren pädagogischen Ideen. Von daher möchte ich hiermit nicht behaupten, dass all dies 100% Montessori ist, sondern eher aus der Interpretation ihrer Ursprungsgedanken durch andere Autoren und mich entstanden ist.

 

 

Moira Rose Donohue: Mein großes Buch über den Regenwald: National Geographic KiDS*

 

Ein großartiges Buch über viele verschiedene Tiere im Regenwald mit spannenden Informationen und tollen Fotos. Wunderbar zum alleine anschauen oder aber auch etappenweise (vor-)lesen.

 

 

 

 

 

 

 


Wie wir diese Ideen Maria Montessoris umsetzen

Zuerst einmal habe ich mich erst mit diesen Themen beschäftigt, als meine Prinzessin schon in der Grundschule (also der 2. Entwicklungsstufe) war. Das bedeutet, dass ich vorher keinen Anlass hatte die ganzen fantastischen Feen-Einhorn-Glitzer-Welten aber auch Drachen und vieles Fantastische mehr überhaupt in Frage zu stellen. Somit haben alle unsere 3 Räuberkinder auch sehr viele fantastische Geschichten und Welten in ihren jüngeren Jahren kennenlernen dürfen.

 

Im Nachhinein hätte ich das vermutlich ein wenig anders gehandhabt und zumindest darauf geachtet, dass reale Geschichten den deutlich größeren Anteil an unseren Büchern ausmachen. Denn mich überzeugt der Hintergrund: es geht darum, dass unsere reale Welt so spannend ist, dass wir eben nicht fantastische Wesen hinzudichten müssen, damit sie attraktiv für die Kinder ist. Stattdessen können wir auch in Büchern die Geschichten und "Wunder" von realen Lebewesen erzählen und sie dann später im der Natur oder auch in Sozialkontakten (Berufe, Gefühle, ...) wiederfinden. Trotzdem hätte ich meinen Kindern auch nicht den Zugang zu fantastischen Geschichten und Welten verwehrt, ich hätte nur auf den ungefähren Anteil geachtet.

 

Vor etwa einen Jahr habe ich begonnen darauf verstärkt zu achten und habe erleben dürfen, wie sich die Spielinhalte und die neugierigen Fragen meiner damals 4- und 5-jährigen kleinen Räuber auf spannende und sehr wohltuende Art verändert haben. Wir haben viele Bücher über Tiere gelesen und plötzlich spielten sie verstärkt gemeinsam agierende Tierfamilien anstatt kämpfende Drachen. Diese Auswirkung hat mich selbst überrascht und mir gezeigt, wie einflussreich tatsächlich meine Auswahl an Büchern ist.

 

Für meine große Prinzessin haben wir lange Zeit Bücher über Ur- und Frühgeschichte ausgewählt, weil sie genau darüber offensichtlich mehr erfahren wollte. Außerdem standen Geschichten über Freundschaft lange sehr hoch im Kurs. Ganz aktuell habe ich begonnen Bücher über inspirierende Persönlichkeiten für sie zu suchen, weil ich das Gefühl habe, dass mit dem Thema weiterführende Schule auch wieder verstärkt eine Orientierungssuche zusammenhängt. Damit möchte ich sie nicht alleine lassen und Inspiration anbieten, die im Vergleich zu ihren ähnlich orientierungslosen Gleichaltrigen und den Hauptfiguren aus irgendwelchen Teenie-Serien wirklich Raum für inneres Wachstum anbieten. Ein tolles Beispiel ist hier folgendes Buch, was uns alles sehr begeistert:

 

Malala Yousafzai: Malalas magischer Stift*

 

Ein wunderbares Buch über den Mut eines jungen Mädchens und die Kraft ihrer Worte. Gerade für meine Grundschulprinzessin suche ich aktiv ein Gegengewicht zu den vielfältigen Teenie-Büchern mit Meerjungfrauen, Vampier-Mädchen, Schulgeschichten und überzeichneter Romantik - nicht als Beeinflussung, sondern weil ich sehe, wie wenig sie die vielen wenig tiefsinnigen Geschichten berühren und inspirieren. Dafür sind solche Bücher ein wunderbares Gegengewicht.

 


"Lebendige Bücher" orientiert an Charlotte Mason

Charlotte Mason war eine britische Pädagogin, die von 1842 bis 1923 gelebt hat. Sie gab unter anderen eine monatliche Zeitschrift für Mütter heraus, mit welcher sie Hintergrundwissen zur Erziehung und Ausbildung (Heimunterricht) von Kindern verbreiten wollte. Neben einen Fokus auf Naturstudien und viel Zeit in der Natur wollte sie Kinder inspirieren und mit Freude an der Sache voran bringen: beispielsweise mit der Betrachtung von Kunstwerken, viel Musik und eben "Living Books" ("Lebendigen Büchern"). Dank der Homeschooling-Bewegung in vielen Ländern inspirieren ihre Ideen auch heute noch viele Eltern.

 

"Living Books" oder eben Lebendige Bücher enthalten laut Charlotte Mason Geschichten, welche sowohl den Verstand als auch die Gefühle der Leser ansprechen. Sie inspirieren mit "großen Ideen" sowie wertvollen Themen und Inhalten zum weiterdenken und der weiteren Beschäftigung mit den Ideen. Über lebendige Bücher können unbekannte Orte bereist, neue Menschen kennengelernt und Themenbereiche vertieft werden. Sie sind nicht stark vereinfacht sondern bieten den Kindern reichhaltige Sprache und einen dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechenden, möglichst anspruchsvollen Schreibstil. Dadurch sprechen sie sowohl vorlesende Erwachsene als auch zuhörende oder selbst lesende Kinder an.

 

Charlotte Mason empfiehlt diese "Lebendigen Büchern" anstelle von Lehrbüchern sowie als ergänzendes Vor-/Lesematerial über die gesamte Kindheit und Schulzeit. Sie hält es für außerordentlich wichtig, auch bereits selbst lesenden Kindern weiter vorzulesen, beispielsweise um ihre Aufmerksamkeit weiter zu trainieren und sie mit noch mehr Ideen und Themen in Berührung zu bringen, als sie dies bei selber Lesen meist erreichen.

 

Das klingt alles sehr bildungsbezogen und nicht unbedingt nach tollen Büchern zur Entspannung sowie für das tägliche Vorlesen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass es sich wirklich lohnt, nach hochwertigen und anregenden Büchern Ausschau zu halten: die Geschichten, welche meine Kinder spielen, verändern sich damit auf eine sehr angenehme Weise. Sie stellen tolle Fragen und zeigen mir so, dass die Inhalte sie wirklich beschäftigen. Und wir alle haben Spaß am Vorlesen, was nach jahrelangem Vorlesen von Kinderbüchern nicht selbstverständlich ist - mittlerweile wollen wir Eltern abends manchmal beide vorlesen, weil niemand verpassen will, wie das Buch weiter geht :-)

So geht es uns aktuell mit diesem Buch:

 

 

Lucy und Stephen Hawking: Der geheime Schlüssel zum Universum*

 

Ein Buch zum Weltraum - Raumfahrt - Thema und was für eines. Innerhalb einer tollen Rahmengeschichte gelingt es zwei Kindern auf wundersame Weise in den Weltraum zu reisen und dort verschiedene Himmelskörper aber auch Gesetzmäßigkeiten des Weltraumes kennen zu lernen. Es geht hier ganz klar auch um Wissensvermittlung mit tollen Weltraumfotos und vielen Info-boxen (welche wir größtenteils ausgelassen haben um der Geschichte weiter folgen zu können). Aber gerade bei solch einem spannenden und faktenlastigen Thema fanden wir das viele Wissen in der wirklich spannenden und die Schulkinder sehr ansprechenden Geschichte absolut bereichernd.

 


Wie findet man tolle Bücher?

In der (sehr heterogenen) englischsprachigen Homeschool-Gemeinschaft gibt es eine Reihe von Listen englischer "Living Books" (im Blog "The Unplugged Family" findest du eine Übersicht) sowie einige gute Bücher mit unzähligen Buchempfehlungen (beispielsweise "Give Your Child the World: Raising Globally Minded Kids One Book at a Time" von Jamie C. Martin*). Für deutschsprachige "Lebendige Bücher" habe ich umfangreiche Empfehlungen auf dem Blog CharlotteMasonBildung.at gefunden. Doch wir persönlich konnten nicht mit allen ausprobierten Büchern auf dieser Liste  etwas anfangen - es bleibt eben auch Geschmackssache. Für Montessori-freundliche Bücher habe ich keine Empfehlungsliste gefunden, ich denke es liegt an der unglaublich großen Anzahl an passenden Büchern.

 

Ich nutze diese Listen und jegliche Buchempfehlungen auf Blogs und Co gerne als Inspiration, wähle unsere Bücher dann jedoch gerne selbst nach Schreibstil (angenehm zu lesen), Thema (bereichernd und inspirierend, knüpft an ein Gespräch an oder könnte anderweitig gerade passen) und Illustrationen aus: wenn mich ein Buch anspricht, lese ich gerne in den Anfang hinein um zu entscheiden, ob das Gefühl aufkommt unbedingt weiter lesen zu wollen - dann gefällt es schon einmal mir.

 

Doch auch bei sorgfältiger Auswahl passen nicht immer alle Bücher zur aktuellen Vorlesesituation und so dürfen manche Bücher noch ein wenig warten oder wieder gehen. Außerdem lesen wir hier durchaus nicht ausschließlich hochwertige Bücher während die Trend-Themen und -Bücher sowie nach den Theorien vielleicht unpassenden Bücher (nach Charlotte Mason unnötiger "Twaddle") kaum beachtet werden - diese haben durchaus auf Kinderwunsch oder wenn sie mir am Herzen liegen (einiges Fantastisches) auch immer wieder ihren Platz beim Vorlesen.

 

Insgesamt nehme ich mir deutlich mehr Zeit für die Auswahl von Büchern und merke, dass es mir immer leichter fällt gute Bücher zu finden. Gleichzeitig erlebe ich immer wieder, wie stark manche Bücher und Geschichten meine Kinder in ihrem Denken und Spielen beeinflussen. Somit kann ich für uns sagen, dass sich der Aufwand lohnt.

 

Welche Bücher liest du gerade vor? Hast du sie bewusst ausgewählt oder wie haben sie ihren Weg zu euch gefunden? Möchtest du mehr Buchempfehlungen von uns?

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