Alles neu macht der Juni?

Flaute auf OstSeeRäuberBande? Wenn du öfter hier bist, ist es dir sicherlich aufgefallen. Und obwohl ich viel an den Blog gedacht habe, kam ich einfach nicht dazu, ihn weiter mit Leben zu füllen. Es war einfach viel los in meinem Leben. Sehr viel. Zuviel. So sehr zuviel, dass ich kurzzeitig schon morgens am liebsten den Kopf unter die Bettdecke gesteckt hätte um einfach liegen zu bleiben, weil alles so anstrengend war.

Also hab ich mir eine Auszeit verordnet: Gedanken sortiert, Gewohnheiten überdacht und verändert sowie alles ein wenig ruhiger gestaltet. Auf viele meiner Fragen und Problemfelder hab ich zwar keine abschließende Antwort gefunden, doch fühle ich mich wieder mehr bei mir, bei den Kindern und bei den Dingen, die mir wichtig sind. Daran will ich dich teilhaben lassen, vielleicht helfen meine Gedanken auch dir beim weiterkommen. Deshalb möchte ich den Juni hier im Blog mit einer Art Status-Quo-Bericht der derzeit in meinem Leben wichtigsten Themen sowie einer Frage an dich beginnen:

Leben mit Kindern: respektvoll und bedürfnisorientiert?

Ich habe in den letzten 2 Jahren intensiv über unseren Umgang mit den Kindern gelesen und nachgedacht. Von "so geht es nicht weiter" über "Chaos im Kopf" hin zu "theoretisch alles ganz einfach" hat uns dieser Weg jedoch in eine schwierige Umsetz-Phase geführt: plötzlich war sehr vieles in Frage gestellt. Wir Eltern wussten unzählige Male nicht weiter und haben oft gegen unsere eigene Prägung gekämpft, während die Räuber einfach testen mussten, welche Regeln denn nun tatsächlich noch unverhandelbar sind. Das Resultat war ein aufreibendes Familienleben mit wunderschönen Glücksmomenten aber wahnsinnig anstrengenden Tiefs. Sehr kräftezehrend, sehr Persönlichkeitsentwicklungs-fördernd (ein Großteil der Probleme liegt in uns Eltern und nicht im Alltag mit den Kindern) aber auch ungeahnt bereichernd für unsere Beziehungen untereinander. 

Momentan stecken wir noch mittendrin in diesem Veränderungsprozess. Wir sind weit gekommen und sehen täglich, dass dieser Weg für unsere Familie der Richtige ist: die Geschwister sind (meistens) unheimlich nah und unterstützend, jedes Familienmitglied hilft freiwillig mit (zumindest immer öfter ;-)), wir üben uns darin wertschätzend miteinander umzugehen und zu kommunizieren, ...

 

Es fühlt sich einfach näher und lebendiger an. Gleichzeitig habe ich noch nie soviel diskutiert und mich bemüht Verständnis aufzubringen. Trotzdem ist es oft nicht genug - dann tauchen alte, unwillkommene Verhaltensmuster auf und die Anforderungen übersteigen meine Kräfte. Dann hätte ich gerne die (aus Angst vor den Folgen) funktionierenden Kinder zurück, die das Leben im jeweiligen Moment viel einfacher machen. Aber wir können und wollen nicht zurück!

 

Familienalltag

Diese ganze Theorie des respektvollen und bedürfnisorientierten Umgangs miteinander sowie unser Verzicht auf den Kindergarten verändert letztendlich den gesamten Familienalltag. Schon eine Herausforderung an sich, haben wir dies in Verbindung mit den Ansprüchen unserer Umwelt (sowohl Menschen als auch Institutionen wie Arbeit und Schule) völlig unterschätzt.

 

Trotzdem versuchen wir soviel Selbstbestimmung (eine wichtige Säule im respektvollen Umgang miteinander) wie möglich zu leben. Ich bin überzeugt, dass es eigentlich ihr Recht sein sollte über ihre eigenen körperlichen Bedürfnisse (Schlafen, Essen, ...) selbst zu entscheiden. Auf der anderen Seite stehen nach herkömmlicher Denkweise unsere elterlichen Bedürfnisse (abendliche Entspannungszeit, ungestörte gemeinsame Mahlzeiten, ...) und Anforderungen von außen, z.B. morgens munter, satt, ohne Bewegungsdrang, ohne das Bedürfnis sich mit seinen Mitschülern zu unterhalten und ohne auf Toilette zu müssen in der Schule sitzen. Alles in Einklang zu bringen ist uns noch nicht gelungen.

 

Aktuell sind hier immer noch Schlafeszeiten ein wichtiges Thema. Doch auch die Frage ob und wie gemeinsame Mahlzeiten stattfinden können während gleichzeitig alle nach ihren Bedürfnissen essen, beschäftigt uns immer wieder. Genauso wie die 100 kleinen Situationen jeden Tag, in denen ich zwischen Selbstbestimmung, meinen Ansprüchen und Kräften sowie unserer Umwelt abwägen muss. Doch auch im Alltag sehen wir eine positive Veränderung: Wir kämpfen weniger gegeneinander, also Eltern gegen Kinder um die Einhaltung der Regeln. Stattdessen entscheiden wir mehr gemeinsam und stehen dann alle dahinter.

 

Allen Kindern gerecht werden

Wir haben 3 sehr unterschiedliche Kinderpersönlichkeiten und so ist der Anspruch allen gerecht zu werden, während ich größtenteils mit den Kindern alleine bin, eine schwierige Angelegenheit. Ich hatte immer ein sehr Aufmerksamkeits-intensives Bild von "allen gerecht werden" und hab es nie erreicht. Doch muss das überhaupt sein?

 

Ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass genau gleich lange Aufmerksamkeit für alle Kinder fair und sinnvoll ist. Denn meine Räuber brauchen mich mal mehr und mal weniger und sie brauchen vor allem Unterschiedliches: mal intensives Zuhören, mal meine Hilfe, mal wildes Toben, mal ruhiges Kuscheln, oft das gemeinsame Umsetzen ihrer Ideen ... Das kann ich weder nach Zeit noch nach Intensität fair verteilen. Und das ist auch nicht nötig. Denn es gibt ja nicht nur mich, sondern auch noch den Papa und die Geschwister untereinander. Die Prinzessin hat auch sehr wichtige beste Freundinnen. Und so geht es vor allem darum, kein Kind aus den Augen zu verlieren, Möglichkeiten für intensiven Austausch zu schaffen und möglichst feinfühlig auf die aktuellen Bedürfnisse zu reagieren. Wenn ich das schaffe sind unsere gelegentlichen Exklusivzeiten das Sahnehäubchen aber nicht die tägliche Portion Aufmerksamkeit. Und so können auch wir Eltern sie tatsächlich genießen anstatt sie als weiteren stressigen Punkt der To-Do-Liste zu erledigen.

 

Schule

Wer hier schon länger mitliest ist sicherlich immer wieder auf meine Probleme mit der Schulpflicht gestoßen. So wie sich Schule derzeit für uns darstellt, würden wir jederzeit dankbar darauf verzichten. Freilernen ist in fast allen Demokratien eine legale Alternative zum Schulbesuch und findet weltweit immer mehr Anhänger - also nicht vor meiner Position erschrecken.
Was mich ganz konkret stört? Wir können unsere Tage nicht mehr selbstbestimmt gestalten. Stattdessen empfangen wir die Prinzessin mittags zuhause und dann fungiere ich oft erst einmal als Blitzableiter. Das soziale Miteinander genießt sie sehr, doch viele der Unterrichtsstunden und die vielen Hausaufgaben (1. Klasse) lassen uns regelmäßig verzweifeln. Gerade in den zentralen Fächern Deutsch und Mathe langweilen sie die ständig gleichen Aufgaben und der fremdbestimmte Lernfortschritt sehr. Das führt dazu, dass sie den Spaß an diesen Dingen nahezu völlig verloren hat und sich so täglich damit quält. Darin sehen wir keinen Sinn, weder lerntechnisch noch menschlich.
Sie ist ein Mensch der gerne Entscheidungen trifft, sich sehr gut um sich und andere kümmert, eigene Interessen verfolgt und respektiert werden will - diese und viele weitere Fähigkeiten werden durch das Schulsystem untergraben. Aber gerade Eigeninitiative, Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen, Kreativität und ähnliche Fertigkeiten brauchen wir in einer Zukunft, in der immer mehr Arbeitskräfte durch computergesteuerte Roboter ersetzt werden und in der viele gesellschaftliche Probleme warten, die wir Erwachsenen mit unseren schulischen, autoritären Denkweisen nicht lösen konnten.

Wer sich zu diesem Thema weiter informieren möchte, der findet auf meinen Freilernseiten weitere Informationen. Ganz konkret lassen sich Freilerner über die Freilerner-Solidargemeinschaft unterstützen. Wir sind viele und werden immer mehr! Und wer nicht auf die geheimnisvolle Zauberlösung warten will, der schaut sich nach einer Freien Schule um oder beteiligt sich an einer der zahlreichen Gründungsinitiativen deutschlandweit - es beibt spannend.

 

Gesund leben, ökologisch und nachhaltig

Dieser Punkt kommt irgendwie wellenartig in mein Leben. Es ist mir unheimlich wichtig für eine gesunde Familienernährung zu sorgen und auf unsere eine, mittlerweile sehr ausgenutzte Umwelt gut acht zu geben. Doch bin ich im Vergleich zu vielen offline Alltagskontakten schon recht weit - darauf ruhe ich mich leider zu oft aus. Außerdem spielen da auch häufig Geld, Zeit und andere Faktoren hinein. Und so gehe ich immer mal 3 große Schritte vor um dann im Alltag nach und nach 3 kleinere Schritte zurück zu treten. Die schlechten Gewohnheiten schleichen sich ganz langsam wieder in unser Leben zurück. Irgendwann achte ich wieder darauf und bin erstaunt, wie weit wir doch vom Wege abgekommen sind.

 

Aktuell sind wieder die Schritte nach vorne dran: weniger Plastik und allgemein Müll, mehr nachhaltig produzierte Produkte und Lösungen sowie bei Kindern und Partner ein noch größeres Verständnis dafür schaffen. Das reicht für´s Erste um  mich ordentlich zu beschäftigen.

 

Sowas wie Minimalismus?

Wenn der Alltag hier anstrengend ist, dann ist alles verlockend, was Vereinfachung verspricht. So bin ich auf das Thema Minimalismus gekommen und habe begonnen, schrittweise unseren Haushalt zu verkleinern. Leider ist das ein ziemlich großer Aufwand, wenn man alles irgendwie noch gebrauchen könnte.
Mein Ziel ist es nicht, der gesellschaftlichen Idealvorstellung eines ordentlichen Haushaltes zu entsprechen oder dem Minimalismus-Trend blind nachzueifern. Stattdessen ist es mein Ziel mehr Kraft und Zeit für mich und die Art, wie ich leben will, zu erhalten, indem die Dinge gewissermaßen in den Hintergrund treten und weniger Aufräum-, Pflege- und anderweitigen Aufwand erfordern. Mit diesem Ziel im Hinterkopf habe ich begonnen, vieles auszusortieren. Es ist unglaublich, wie viele Dinge sich gerade in einem Leben mit Kindern ansammeln können. Wer dann wie wir wenig Platz (74m²) und keinen zusätzlichen Stauraum hat, der ertrinkt geradezu in Dingen. Und der ist täglich unnötig mit Dingen statt Menschen beschäftigt.

Letztendlich wird es hier wohl nie minimalistisch übersichtlich oder perfekt aufgeräumt sein, weil genau dies nicht ich bin. Das erleichtert mir zwar in stressigen Zeiten das Leben, doch kann ich mich so einfach nicht ausleben. Ich bin ich kreativer, vielseitig interessierter Mensch und um dies auch auszuleben, brauche ich für die verschiedenen Tätigkeiten (wie Nähen, Kochen, Bloggen) einfach diverse Zubehörteile um mich herum. Und ich brauche meine Kinder um mich herum, welche ebenfalls unzählige "Zubehörteile" :-) benötigen.

 

Unser Haushalt

Hier leben ein Chaotischer, ein Ordnungsliebender und 3 wilde Räuber unter einem Dach - da ist Streit über den Haushalt vorprogrammiert. Ein wenig möchte ich meinem großen Lieblingsmenschen sowie meinem immer wieder aufflackerndem Bedürfnis nach einem für Besucher repräsentablen Zuhause nachkommen. Doch habe ich mich da in letzter Zeit ziemlich verbogen, indem ich teilweise das Aufräumen vor das Kümmern um die Kinder und um mich gesetzt habe (ohne jemals das Ziel zu erreichen).
Es ist nun einmal eine Tatsache, dass ich zwar sehr gut organisieren aber weniger gut Ordnung halten kann. Es kostet mich bisher viel Kraft eine akzeptable Ordnung aufrecht zu erhalten und gleichzeitig erreiche ich doch nur ein Mittelmaß im Vergleich zu manchen Mitmenschen. Doch das ist nicht der Punkt: ich möchte nicht so viel Kraft verwenden um den Ansprüchen anderer irgendwie halbwegs gerecht zu werden und gleichzeitig keine Kraft mehr für meine Prioritäten (Kinder, gut für mich sorgen) und Stärken zu haben. Das ist doch verrückt sich wegen solch einem Thema so verrückt zu machen.

Meine aktuelle Lösung ist ein Haushalt light. Ich nutzte die Kraft der guten Routinen und unfreiwillige Wartezeiten um einen ausreichend sauberen und aufgeräumten Zustand zu erreichen. Perfekt dürfen gerne andere machen. Allerdings muss ich da noch einige Überzeugungsarbeit leisten und Absprachen treffen: Wünsche werden leider nicht immer erfüllt, Bedürfnissen wollen wir aber in der Familie weitestgehend erfüllen. Es bleibt ein Balance-Akt.

 

Und wo bleibe ich?

Ich neige dazu in anstrengenden Phasen zu machen, machen, machen. Reflektieren und bewusst weniger zu machen fällt mir sehr schwer. Allerdings war diesmal alles irgendwie zuviel und die Erschöpfung wurde täglich größer, während ich mich von meinen Zielen entfernt habe. Irgendwie schien meine Leistungsfähigkeit täglich kleiner zu werden. Wohin soll das führen, wenn ich immer nur weitermache und die Erschöpfung ignoriere? Also hab ich mich auf die Suche nach den Ursachen bzw. Lösungen gemacht: mehr Schlafen und gesünder Essen, mehr Sport und mehr Pausen. Statt machen, machen, machen einfach mehr in mich hinein hören, was gerade gut tun könnte und mehr im Moment leben. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich das Gefühl hatte, wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Und ich merke immernoch, dass ich mal leistungsfähiger war. Aber ich stehe wieder auf und freue mich auf den Tag und ich hab wieder Lust zum Schreiben. Das fühlt sich toll an. Und ich freue mich sehr, diesen Artikel nach wochenlangem Herumgebastel endlich zu veröffentlichen.
Danke, dass du diesen doch sehr persönlichen und vielleicht wenig zusammenhängend strukturierten Artikel bis zum Ende gelesen hast. Vielleicht konnte ich dich inspirieren? Ich möchte sehr gerne, dass OstSeeRäuberBande mehr ist als ein netter Einblick in unser Leben. Interessiert dich das? Über welches dieser Themen möchtest du mehr Hintergründe oder konkrete Tipps? Ich freue mich sehr über Kommentare!

Herzlichst,

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